Lara Croft war beim Friseur.
Bis vor kurzem trug sie ihre wilde Haarmähne noch streng zusammengebunden oder zu einem Zopf geflochten, wenn sie auf der Jagd nach wertvollen Artefakten bauchfrei und in sexy Hotpants durch den Dschungel rannte - und dabei mit üppiger, hin und her schaukelnder Oberweite ihre beiden halbautomatischen Luger MV 9 Parabellum-Pistolen, Kaliber 9 mm, abfeuerte.
Mittlerweile hat die Tomb Raider-Archäologin ihre Schusswaffen gegen einen multifunktionalen Compound-Bogen à la Rambo ausgetauscht, die Mähne in einem feschen Stufenschnitt zurechtgestutzt - das knappe Top und die Hotpants lässt sie ab sofort auch zu Hause, trägt nun lange Hosen und ein normales Shirt mit Spaghettiträgern. Und - sie hat abgenommen. Ihre Brüste sind auf eine realistischere Körbchengröße geschrumpft, als hätte sie sich die früheren Silikonimplantate herausnehmen lassen. (Man will durch diese kleinen Veränderungen die weibliche Zielgruppe gezielter ansprechen.) Lara Croft sieht beinahe "züchtig" aus im Vergleich zu früher, und ihr Gesicht, selbst blutbespritzt, ist hübscher denn je - obwohl man gerade mit solch heiklen Bemerkungen heutzutage sehr aufpassen muss.
Erst kürzlich sah sich sogar der amerikanische Präsident einem "#Aufschrei"-Shitstorm ausgesetzt, bloß weil er einer Frau ein Kompliment machte. Er lobte Kamala Harris als brillante und zähe Juristin und fügte fatalerweise hinzu, sie sei außerdem noch "die bestaussehende Generalstaatsanwältin".
Klarer Fall für die "political correctness-Polizei". Prompt wurde seine Bemerkung als "Dummheit" und als "Sexismus" ausgelegt. Obama zog es vor, daraufhin ein klärendes Telefonat mit Frau Harris zu führen und sich bei ihr für seine "sexistische Bemerkung" zu entschuldigen.
Denn in Zeiten des "Gender Mainstreams" darf man das hübsche Äußere einer Frau nicht mehr durch Komplimente loben. Das bedeutet schließlich, andere Frauen (die kein solches Lob kriegen) durch eine solche Bemerkung zu diskriminieren - und die mit einem Kompliment bedachte Person wiederum "nur auf ihr Äußeres zu reduzieren". Man darf in Amerika nicht sagen, dass ein Mensch schön aussieht. Man darf höchstens erwähnen, dass er seinen Job gut macht.
Außerdem darf es in Zeiten des politisch korrekt verordneten Maulkorbs keine Unterschiede mehr zwischen Mann und Frau geben. Wer aber glaubt, so etwas gäbe es nur in den "prüden USA", der täuscht sich. Der FDP-Politiker Rainer Brüderle machte da ganz ähnliche Erfahrungen. Mit Blick auf die Oberweite einer Journalistin, ließ er sich zu der augenzwinkernden Bemerkung hinreißen: "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen." Die Folge: Katastrophe. Weltuntergang. Sexismus.
Und um dem dämlichen Treiben der Gleichmacherei die Spitze aufzusetzen, setzen auch hierzulande immer mehr Vertreter des "Gender Mainstreams" ihre Kreativität unter Beweis, wenn es darum geht, Männer und Frauen, Jungen und Mädchen zu geschlechtsneutralen Robotern herabzuwürdigen, statt die jeweilige Geschlechtsidentität zu festigen.
Vielleicht haben Sie es schon mitbekommen, aber es gibt hierzulande (wenigstens im Behördendeutsch) den "Fußgänger" nicht mehr. Denn der Begriff ist männlich, und daher sexistisch. Ab sofort gibt es nur noch "zu Fuß Gehende". Es gibt auch keine "Rad-" oder "Autofahrer" mehr, sondern "Radfahrende" und "Autofahrende". Das ist nur die logische Konsequenz, nachdem schon "Studenten" durch "Studierende" und "Käufer" durch "Kaufende" ersetzt wurden. Aber an dieser Stelle endet der Sprachterror noch lange nicht:
Mittlerweile wird das "böse N-Wort" aus harmlosen Kinderbüchern getilgt, so ist z.B. Pippi Langstrumpfs Vater mit sofortiger Wirkung kein "N...könig" mehr, sondern ein "Südsee-König". Eskimos heißen ja schließlich auch Inuit, Zigeuner sind als "mobile ethnische Minderheit" zu bezeichnen, die althergebrachte Anrede "Fräulein" gilt heutzutage ebenfalls als sexistisch, denn schließlich gibt es ja auch kein "Männlein".
Und überhaupt muss man heutzutage sehr darauf achtgeben, immer eine politisch korrekte Wortwahl zu treffen. Notfalls auch auf die Gefahr hin, sich in Euphemismen und umständlichen Neologismen zu verrennen. So sollte durch die Sprache keine Aufmerksamkeit auf irgendeinen Mangel gelenkt werden. Färben Sie lieber alles schön. Sagen Sie nicht "dumme Menschen", sondern "geistig herausgeforderte Menschen" oder "bildungsferne Schichten", sagen Sie nicht "Rentner", sondern "Generation 60plus" - und sprechen Sie niemals von der "Unterschicht", sondern immer nur vom "Prekariat".
Der Sinn der Sprache mag ursprünglich einmal darin gelegen haben, Dinge, Personen oder sonstige Erscheinungen der (realen) Welt mit Worten benennen zu können. Heutzutage gilt die Maxime, Sprache habe "durch ihre zirkuläre Selbstbezogenheit alle Spuren mit dem Realen zu beseitigen". Dazu gehört u.a. auch, dass geschlechtsspezifische Begriffe, wie "Politiker", "Bäcker" oder "Dachdecker" ausgemerzt gehören, im Sinne der Gleichstellung. Freundlicherweise gibt es da nach wie vor Ausnahmen: Ein "Terrorist", z.B., darf nach wie vor als solcher bezeichnet werden, auch wenn das diskriminierend gegenüber einigen wenigen Männern sein mag, die einem völlig anderen Beruf nachgehen.
Aber es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis man auch dieses Problem elegant gelöst haben wird. Dann gibt es endlich Schlagzeilen über "Terrorverbreitende" in den Zeitungen, die sich "Lesende" morgens beim "Backenden" kaufen können.
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